Empfindungsstörungen in Händen und Füssen


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Empfindungsstörungen in Händen und Füssen

Beitragvon admin » Mo 7 Aug 2023 15:31

Frage an das Krebstelefon
Kürzlich erreichte uns die Frage, ob Kälte und Kompression bei der Chemotherapie vor peripherer Neuropathie schützen.

«Nach einer Chemotherapie hatte ich monatelang das Gefühl, auf Watte zu gehen. Ich fand keinen Halt mehr am Boden, war unsicher auf den Beinen und dadurch stark eingeschränkt in meinen Alltagsaktivitäten. Der Arzt diagnostizierte eine «Chemotherapie-induzierte periphere Neuropathie» (kurz CIPN) als Ursache. Keine Massnahme brachte Linderung. Nun sind die Beschwerden rückläufig. Neulich habe ich gelesen, dass einer CIPN vorgebeugt werden kann, wenn Hände und Füsse während der Chemotherapie gekühlt werden. Wie geht das praktisch und wo werden solche vorbeugenden Massnahmen angewandt?»

Antwort von Katja Streiff, Fachberaterin Krebstelefon
Manche Krebsbetroffene leiden aufgrund der medikamentösen Tumortherapie an einer Chemotherapie-induzierten Neuropathie (CIPN), welche meist die Hände oder Füsse oder alle vier Extremitäten betrifft. Zytostatika wie Platin-Derivate, Vinca-Alkaloide und Taxane, aber auch gewisse neue Immun- und zielgerichtete Therapien können das Nervensystem schädigen. Sie lösen aber nicht bei allen Patientinnen und Patienten eine periphere Neuropathie aus. Die Verträglichkeit ist individuell unterschiedlich und dosisabhängig.
Das Nervensystem ermöglicht die Wahrnehmung und Verarbeitung von Reizen und steuert Bewegungen und Reaktionen. Wird es durch «nervengiftige» (neurotoxische) Inhaltsstoffe von Medikamenten beeinträchtigt, kann es seine Funktionen nicht mehr richtig wahrnehmen. Die möglichen Folgen sind vielfältig. Betroffene berichten über Beschwerden wie Missempfindungen, Taubheitsgefühle, «Ameisenlaufen», Überempfindlichkeit auf Berührungs- oder Kältereize, Beeinträchtigung des Lagesinns, Muskelschwäche, Koordinationsstörungen, Beeinträchtigung des Hörvermögens, neuropathische Schmerzen (Nervenschmerzen) und andere.
Häufig beginnen die Symptome an den Fingerspitzen und Zehen («peripher», randständig) und breiten sich handschuh- beziehungsweise strumpfförmig aus. Sie verschwinden oft nach einigen Monaten von selbst oder beispielsweise unter ergo- oder physiotherapeutischen Massnahmen wieder, können aber auch auf unbestimmte Zeit anhalten.
Bis heute gibt es keine nachweislich wirksame, etablierte Behandlung gegen CIPN. Deshalb wird seit einigen Jahren nach effektiven vorbeugenden Methoden geforscht. Verschiedene Studien untersuchten, ob Kälte (Kryotherapie) oder Druck auf die äusseren Blutgefässe an Händen und Füssen (Kompression) während der Zytostatika-Infusion einer Schädigung der Nerven vorbeugen kann. Bei der Kryotherapie werden Hände und Füsse durch Kältehandschuhe und -Socken während der Chemotherapie-Gabe sowie 15 bis 30 Minuten vorher und nachher ständig gekühlt. Bei der Kompressionstherapie trägt der Patient / die Patientin vor, während und nach der Chemotherapie zwei Paar enganliegende Operationshandschuhe übereinander. Eine Studie untersuchte die Wirkung von Kryokompression (gleichzeitige Kühlung und Kompression) mit einer speziellen Apparatur.
Welche Überlegung liegt diesen Methoden zugrunde? Die infundierten Krebsmedikamente werden über den Blutstrom im ganzen Körper verteilt. Man geht davon aus, dass sich die Blutgefässe an Händen und Füssen durch Kälte und / oder Kompression verengen. So gelangt weniger neurotoxische Substanz zu den feinen peripheren Nervenfasern. Es scheint deshalb weniger wahrscheinlich, dass die Nerven durch tumorwirksame Substanzen geschädigt werden können.
Die Ergebnisse der Untersuchungen sind teilweise ermutigend, lassen aber noch keine definitiven Schlussfolgerungen zu. Die durchgeführten Studien sind klein, ihre Resultate sind widersprüchlich und aufgrund ihres unterschiedlichen Aufbaus kaum vergleichbar. Untersucht wurde die präventive Wirkung von Kryotherapie und Kompression mehrheitlich an Frauen, die mit Paclitaxel gegen Brustkrebs behandelt wurden. Es gilt, die Ergebnisse von weiteren Untersuchungen abzuwarten. Die beschriebenen vorbeugenden Behandlungen durch Kälte und Druck gehören (noch) nicht zum therapeutischen Standard.
Derzeit ist es vor allem bedeutsam, dass Patientinnen und Patienten sich gut beobachten und den behandelnden Arzt / die behandelnde Ärztin unverzüglich über Symptome wie etwa Kribbeln, Taubheitsgefühle oder Brennen informieren – auch wenn diese geringfügig scheinen. So können frühzeitig Gegenmassnahmen ergriffen werden.
Weitere Informationen
Leitlinienprogramm Onkologie: Supportive Therapie Krebsinformationsdienst: Neuropathie bei Krebs – Vorbeugen mit Kälte und Kompression
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